Was ist eine Beta-Thalassämie?
Die Beta-Thalassämie ist ein genetischer Fehler im Aufbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin. Der rote Blutfarbstoff ist Teil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und mit dafür verantwortlich, dass der menschliche Körper mit Sauerstoff versorgt wird. Denn der eingeatmete Sauerstoff (O2) gelangt über die Lunge in die Blutbahn und wird hier von den roten Blutkörperchen aufgenommen. Und genau für diese Aufnahme ist das Hämoglobin zuständig. Es bindet den Sauerstoff und die roten Blutkörperchen können ihn so zu allen Zellen und Geweben im Körper transportieren. In den Körperzellen gibt das Hämoglobin den Sauerstoff ab und nimmt dafür Kohlendioxid auf. Das Kohlendioxid wird zur Lunge transportiert, wo es abgegeben und neuer Sauerstoff wieder aufgenommen wird. Ein Kreislauf, der durch die Beta-Thalassämie stark beeinträchtigt wird. Denn bei dieser Erkrankung wird der Aufbau des Hämoglobins und der roten Blutkörperchen empfindlich gestört.1,2
Was passiert bei der Beta-Thalassämie im Körper?
Zum besseren Verständnis der Krankheit kann man sich die im Körper verzweigten Blutbahnen als Flüsse vorstellen, auf denen der Sauerstoff als Fracht auf Schiffen zu den Zellen und Geweben transportiert wird. Die roten Blutkörperchen sind dann die Frachtschiffe und das Hämoglobin die Frachtcontainer, in denen der Sauerstoff gelagert ist. Die Container werden nach einer bestimmten Bauanleitung hergestellt, diese Bauanleitung sind die Gene. Sind nun die Bauanleitungen fehlerhaft, werden kaum noch richtig funktionierende Container hergestellt und der Sauerstofftransport zu den Körperzellen ist schwer beeinträchtigt. Die mangelhafte Bauanleitung für die Container beeinflusst letztendlich auch den Aufbau der Frachtschiffe selbst.1,2
Aufbau des Hämoglobins – Detailwissen3
Das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen besteht im Wesentlichen aus einem Eisenmolekül (Häm), das den Sauerstoff bindet, und vier Eiweißketten, auch Globinketten genannt, von denen zwei jeweils gleich sind.
Insgesamt lassen sich die Globinketten nach dem griechischen Alphabet in Alpha(α)-, Beta(β)-, Gamma(γ)-, Delta(δ)- und Epsilon(ε)-Ketten unterteilen. Die Zusammensetzung der Globinketten wechselt zwischen der embryonalen, fetalen und adulten Phase eines Lebens. Bei erwachsenem (adultem) Hämoglobin (HbA) sind das überwiegend zwei Alpha- und zwei Beta-Ketten (α2β2), während das fetale (Fötus und Neugeborene) Hämoglobin (HbF) aus zwei α- und zwei γ-Ketten besteht (α2γ2). Je nachdem, welche Globinkette von einem Gendefekt betroffen ist, heißt die Krankheit zum Beispiel Alpha-Thalassämie (wenn die Alpha-Ketten betroffen sind). Die häufigste Variante in Europa und Deutschland ist die Beta-Thalassämie. Die Alpha-Thalassämie ist hierzulande seltener gestört.4 Es gibt auch eine Delta-Thalassämie, die aber weltweit sehr selten vorkommt.5 Es können auch gleichzeitig zwei Gendefekte in unterschiedlichen Globinketten auftreten. In der Regel dominiert dann ein Gendefekt und bestimmt das Erscheinungsbild der Erkrankung. Tritt zum Beispiel sowohl in der Alpha- als auch in der Beta-Globinkette ein Gendefekt auf und der Gendefekt in der Beta-Globinkette ist dominant, dann entwickelt sich eine Beta-Thalassämie.
Was bewirkt der Gendefekt?1,2
Bei der Beta-Thalassämie können die Beta-Globinketten durch einen Gendefekt gar nicht oder nicht ausreichend gebildet werden. So kommt es zu einem Ungleichgewicht der Alpha- und Beta-Globinketten, das die Bildung des erwachsenen Hämoglobins HbA (α2β2) stört. Die überschüssigen Alpha-Globinketten zerfallen und bilden Eiweißklumpen (Hemichrome), die eine normale Entwicklung der roten Blutkörperchen beeinträchtigen. Bei der Beta-Thalassämie sind die roten Blutkörperchen häufig blasser (weniger Hämoglobin = weniger roter Blutfarbstoff), kleiner als normal und können weniger Sauerstoff aufnehmen und sie reifen häufig nicht voll aus, sondern werden schon frühzeitig an ihrem Entstehungsort, dem Knochenmark, wieder abgebaut. Sind zu wenig gesunde rote Blutkörperchen vorhanden, sprechen Ärzte von einer Anämie.
Woher kommt der Begriff Thalassämie?
Der Begriff Thalassämie kommt vom griechischen Thalassa für Meer. Die Krankheit wurde in der Mittelmeerregion entdeckt und die Folgen wurden zuerst vom amerikanischen Kinderarzt Thomas Cooley beschrieben. Deswegen wird sie auch „Mittelmeer-Anämie“ (Blutarmut) oder „Cooley‘s Anämie“ genannt.
Woher kommt die Krankheit?6,7
Thalassämien sind besonders in den Regionen und Gebieten verbreitet, wo die Gefahr einer Malariaerkrankung besteht oder bestand. Denn die schwächere Form der Erkrankung schützt in Maßen vor Malaria, da die Zerstörung roter Blutkörperchen durch die Malariaerreger der Überproduktion roter Blutkörperchen bei Thalassämien entgegensteht.8 Neben der Mittelmeerregion (insbesondere Griechenland, Italien, Türkei, Albanien) treten Thalassämien häufig im Nahen und Mittleren Osten (z. B. Iran, Irak, Afghanistan), Teilen von Asien (wie z. B. Südchina und Indien) und in Teilen von Afrika auf. Durch Auswanderung und Zuzug ist die Krankheit mittlerweile aber auf der ganzen Welt zu finden. Besonders in Nordamerika sowie in Mittel- und Nordeuropa ist die Anzahl der Erkrankungen gestiegen.9,10
„Mein Vorteil ist doch, dass ich ganz genau weiß, an welcher Krankheit ich leide.“
Lehrerin, Beta-Thalassämie major